Brockentour per Rennrad
Rennrad-Tour auf das Dach des Nordens - oder aller guten Dinge sind drei
Hin und wieder soll man ja ausgetretene Pfade verlassen, zumal mit fortschreitendem Alter die Zipperlein nicht weniger werden. Zudem gilt Radfahren ganz allgemein als gelenkschonende Ergänzung zum Laufsport und erweitert den Aktionsradius erheblich. Gründe genug für Ronald und Jan sich mal als „Ritter der Landstraße“ zu versuchen. Bisheriger Höhepunkt dieser Metamorphose war die letztjährige erfolgreiche Deutschland-Tour auf der Klassikerstrecke Flensburg-Garmisch. Immer mit dabei, Heiko, unser Teamchef, Coach und Versorgungszauberer - wie man in der tiefsten bayerischen Provinz eine Bäckereifachverkäuferin dazu bringen kann, in deren Küche mitgebrachte Dosensuppe zu kochen und sie anschließend an triefnasse, das Interieur ruinierende Radler zu verfüttern, wird ewig sein Geheimnis bleiben. Trotz oder gerade wegen solcher Heldentaten schmerzte der bislang zweimal gescheiterte Gipfelsturm auf den Brocken – dem Dach des Nordens. Nun ja, wer hätte auch ahnen können, dass es Ende Oktober schon nachmittags wieder dunkel wird …


Mangelhafte Ernährung oder gravierende kalendarische Unzulänglichkeiten sollten in diesem Jahr beim dritten Anlauf jedoch keinen Einfluss mehr haben und so starteten Jan, Ronald und der „Betreuer“ Heiko dieses Mal rechtzeitig Mitte Juli morgens um 05:00 Uhr in Michendorf. Auf dem Weg gen Westen hielt dieses Mal weder die vorhergesagte anfängliche Dusche von oben noch der erste Platten seit zwei Jahren auf. Ersteres wurde schnell abgeschüttelt, letzteres rasch repariert und so rollten die beiden Rennradfahrer Jan und Ronald nur knapp hinter dem Zeitplan zur ersten Verpflegungsstelle im hohen Fläming ein, wo der Quartiermeister Heiko bereits mit Kaffee und Brötchen wartete. Von da an ging es zügig weiter Richtung Harz. Verlässt man dann irgendwann das heimatliche Brandenburg kann man zwei Dinge feststellen: in dem Maße wie die Radwege weniger und teilweise deutlich schlechter werden, wird der Gegenwind aus Westen in der oftmals kilometerweit offenen Landschaft ein konstanter Begleiter. Das alles konnte den Beiden jedoch nur wenig anhaben. Belastender waren da schon die wiederkehrenden besorgten Fragen von vorbeifahrenden Kleinbussen, ob es Jan und Roland noch gut gehe und beide durchhalten würden. Anlass der ungewöhnlichen Nachfragen war eine größere begleitete Rennradgruppe wohl aus Berlin mit dem gleichen Ziel. Offenkundig sah man in uns zwei etwas überambitionierte Best-Ager, die aus der Gruppe gesprengt nun allein ihr Glück suchten. Als ob Heiko es geahnt hätte, lotste er die beiden Aktiven für eine kurze Mittagspause dann auch in die Kantine einer auf dem Weg liegenden Reha-Klinik. Eine schattige Terrasse und eine grundsolide Hausmannskost ließen die anfängliche Empörung schnell verklingen. So gestärkt ging es auf die letzte Etappe und nach rund 180km begann endlich am Fuße des Harzes der Aufstieg auf den Brocken. Da die ersten zweistelligen Rampen bereits aus den Vorjahren bekannt waren, ließen sich Jan und Ronald weder vom anfänglich dichten Verkehr noch von der ungewohnt rot gefärbten Steigungsanzeige der Radcomputer aus der Ruhe bringen. Um seine mentale wie körperliche Stärke an diesem Tag zu demonstrieren, ließ sich Ronald sogar dazu hinreißen, am Wegesrand verloren gegangene Geldmünzen aufzulesen, um so mit 1-2 kg Zusatzgepäck das letzte autofreie Stück ab Schierke in Angriff zu nehmen. Jan zog es vor diesem letzten Anstieg trotz regelmäßiger Ernährung fast noch den Stecker und nur die letzten Reserven aus der Trikottasche bewahrten ihn vor einem Hungerast. So erreichten Ronald und Jan schließlich am späten Nachmittag nach 229km und rund 2.400 HM das Brockenplateau und konnten dieses Kapitel endlich am Abend in Wernigerode in Begleitung lokaler Getränkespzialitäten erfolgreich abschließen.